Meine Haltung #1 – „Philosophieren ist Hingabe“

Philosophie ist Praxis. Sie lebt davon, dass man sie tut – sie lebt vom Dialog. Es geht um das Philosophieren. Aufgangspunkte meines Zugangs zum Philosophieren sind:

1. Das Selbstverständliche hinterfragen

2. Demut

Demut bedeutet:

a. Sich selbst nicht als am Wichtigsten zu nehmen (Ego zurückstellen),

b. Sich immer wieder zu sagen „Ich könnte mich auch irren.“ Das ist nicht zu verstehen als radikale Skepsis, sondern als Haltung, anderen Möglichkeiten (zu Denken und zu Verstehen) gegenüber offen zu sein.

Mit der Demut allein wird schon an zwei wesentlichen Selbstverständlichkeiten gerüttelt, durch das aber ein Philosophieren erst möglich wird: Am eigenen Ego und an den eigenen internalisierten Überzeugungen. Natürlich müssen und sollen diese nicht einfach negiert werden, jedoch sind diese häufig dafür verantwortlich, dass wir nicht nach Weisheit streben, sondern nur nach Selbstbestätigung.

Das erste, was sinnvoll ist zu lernen, wenn man sich mit der Philosophie und den Philosophen auseinandersetzen möchte, ist, diese irgendwie zu verstehen. Dazu bedarf es, dass man sich auf die Gedankenwelt eines anderen Menschen einlässt und dort nicht nur sucht, was man sowieso schon kennt und weiß („Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ (Goethe)). Möchte man aber mehr erkennen als man schon weiß und verstehen, so muss man sich einlassen, muss beginnen nachvollziehen-zu-wollen, was fremd ist und auch obwohl es fremd ist.

Ich verstehe Philosophieren insofern als Hingabe, als es ein sich Hinwenden, sich Öffnen, sich Geben an das Andere, das Fremde, den anderen Menschen ist.

Wenn man in dieser Weise gibt, wird man belohnt durch das, was man dadurch erfährt, erkennt und empfängt. Denn im Geben erfährt man immer etwas über den Anderen, dem man gibt, als auch über sich selbst. So empfängt man auch im Geben und umgekehrt.

Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach Transzendenz. Darunter können m. E. ganz verschiedene Dinge verstanden werden: Ein letzter zureichender Grund (etwa Gott), die Seele, Freiheit, Wahrheit, Einheit, das Gute. Manche dieser Dinge können wir nicht erkennen, nur daran glauben. Wir haben aber das Bedürfnis, uns darüber Gedanken zu machen und darüber zu sprechen. Dabei geht es in der philosophischen Arbeit und Praxis weniger darum, endgültige Antworten zu finden, als vielmehr darum, neue (Denk-)Impulse zu bekommen, sprichwörtlich den eigenen Horizont zu erweitern. Innerhalb dieses Horizonts können sich vielzählige Hintergrundüberzeugungen bergen, durch die wir meinen, die Welt ein kleines bisschen besser verstehen zu können – und dies kann uns helfen mit der Komplexität dieser Welt klar zu kommen. Durch das Philosophieren, Hinterfragen und sich anderen Gedanken gegenüber öffnen, können wir unseren Gedankenhorizont immer wieder aktualisieren und bleiben geistig flexibel – können immer wieder neu Anfangen zu denken und müssen uns nicht auf ein Dogma versteifen. Nebenbei füttern wir nicht ständig unser Ego mit Ansichten, die uns nur wohl gefallen, sondern reiben uns auch an Positionen, die uns irritieren.

Beim Philosophieren geht es aber auch um konkrete Dinge, die unsere Lebenswelt ausmachen und denen wir täglich begegnen. Praktische Fragen des Lebens (z. B. „Was soll ich (in einer bestimmten Situation) tun?“). So kann man durch die Philosophie und das Philosophieren gezielt vom Hundertsten ins Tausendste gehen und wieder zurück. Fragen also aus einer Nah- und aus seiner Fernperspektive betrachten. Dabei kann jede/r selbst entscheiden, ob er/sie mit dem Philosophieren bei den großen oder erst bei den kleinen Fragen des Lebens ansetzen möchte.

Es ist bei den konkreten, praktischen Fragen des Lebens nie leicht, richtige Antworten zu finden und vielleicht ist es auch besser, nicht immer zu denken, dass eine Antwort immer unbedingt richtig sein muss. Und wenn sich herausstellt, dass es sich nicht die vermeidlich richtige Antwort gehandelt hat, dann muss sie deswegen aber auch nicht falsch gewesen sein. Mit Falsch und Richtig bewerten wir sehr häufig, das bringt unser sittliches Leben so mit sich. Dabei setzen wir uns auch sehr unter Druck, besonders weil es einen Mangel als Fehlerkultur in unserer Gesellschaft gibt. Nicht richtige Antworten führen dann, einer geläufigen Meinung nach, zu falschen Entscheidungen und womöglich zu unangenehmen Konsequenzen und letztlich zu Unbehagen über uns selbst. Durch einen philosophischen Perspektivwechsel können wir aber eine andere Sichtweise auf die Dinge wagen und uns im Idealfall hinterher mit uns selbst versöhnen und vor allem: nochmal neu Anfangen. Denn: nobody‘s perfect.

Jeder Mensch philosophiert. Vielleicht ist man sich dessen nicht immer bewusst, da wir unser Alltagsdenken in der Regel nicht besonders häufig hinterfragen. Obwohl dies mit dem einfachen Wörtchen „Warum?“ anhebt, z. B.: „Warum denke ich eigentlich so über diese Sache?“. Umso interessanter kann es sei, über die eigenen Gedanken zu sprechen und sich im Medium des Dialogs mit einem anderen Menschen zu reflektieren. Man kann dabei nichts verlieren, nur gewinnen.


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