Erich Fromm: Haben oder Sein, Teil 1, 1/3

Erich Fromm: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft (1976)

Dieses Werk eignet sich, als bekanntestes Werk Fromms, besonders als Überblickswerk für sein gesamtes Schaffen. Das Werk stellt aus philosophischer Sicht implizit die Frage nach dem guten und gelingenden Leben sowie mehr explizit die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und ist damit am ehesten im Bereich der Lebensphilosophie, aber auch Sozialphilosophie mit Schnittstelle zur Sozialpsychologie zu verorten.

Auf den ersten Blick

Zu Beginn werden die ersten augenscheinlichen Unterschiede zwischen Haben und Sein vorgestellt. Haben und Sein werden hierbei anhand von Beispielen aus der Dichtung, der Alltagssprache und Alltagserleben und -handeln als Arten und Weisen verstanden, sich als Person zu seiner Außenwelt zu verhalten. Sie werden, wie es Fromm nennt, als Existenzweisen, bzw. auch als Modi bezeichnet. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Modi ist, dass sich das Haben auf den Besitz und das Sein auf das Werden und Erleben bezieht. Fromm gibt hierzu Beispiele aus verschiedenen Lebensbereichen:

• Die Veränderung im Sprachgebrauch: Statt von Tätigkeiten zu sprechen, wie etwa „zu lieben“, „zu lehren und lernen“, „zu Arbeiten“ spricht man von „der Liebe“, „der Lehre“, „der Arbeit“ als ein Objekt oder gar Idol, das scheinbar abgetrennt vom Menschen existiert und als höhere Instanz auf den Menschen einwirkt. Nicht die Eigenschaft, die Fähigkeit und das eigene Handlungsvermögen steht im Mittelpunkt der Sprache und des Denkens, sondern das „haben“ bzw. „besitzen“ dieser Dinge.

• Das Haben und das Konsumieren stellen Existenzweisen des Menschen dar, die von Beginn seiner Existenz an beobachtbar sind, z. B. das Einverleiben (orale Phase) als Prototyp der Inbesitznahme. Das Einverleiben gilt als Symbol der Übernahme von Eigenschaften und dient der Machtausübung.

• Der Wandel von Aktivität zu Passivität, z. B. im Bereich der Arbeit oder Freizeitgestaltung. Der Mensch wird durch Industrialisierung zu einem passiven Element und stellt nicht das aktive Movens der Tätigkeiten oder Produktionsprozesse dar.

Bei der einleitenden Lektüre des Werks lassen sich erste Prämissen feststellen:

– Sein und Haben sind Orientierungsweisen bzw. Existenzweisen des Menschen in der Welt und zur Welt.

– Sie können die Charakterstrukturen des Individuums prägen.

– Das Haben entspricht dem Besitzen. Besitzen kann man nur Dinge.

– Was als zu besitzendes Ding gilt scheint nicht klar zu sein, denn scheinbar bezieht sich das Besitzen auch auf Mitmenschen.

– Das Sein bezieht sich auf Prozesse, Werden, Aktivität und Tätig-Sein.

– Die beiden Existenzweisen sind Formen erlebter Realität und beziehen sich auf die Beziehung des Individuums zur Gesellschaft.


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